DIE ABSURDITÄT DER GEGENWART IN DER VERGANGENHEIT WIEDERFINDEN
Regisseur Moritz Peters im Gespräch
Wofür steht die Figur Marie-Antoinette?
Marie-Antoinette ist so etwas wie das schrille übersteigerte Bild der absoluten Monarchie. Obwohl sie selbst gar nicht so viel Macht hatte und ihr Mann Ludwig XVI. scheinbar nicht der fähigste König war, scheint die französische Monarchie zu dieser Zeit auf dem Gipfel ihrer Macht und Prunksucht. Sie ist darin aber schon gekippt, ins Perverse des Überflusses, der starren Mechanik und der maximalen Entfernung von den Bedürfnissen des Volkes. Der Spruch „Wenn sie kein Brot haben, sollen sie Kuchen essen!“ stammt eigentlich gar nicht von Marie-Antoinette, er drückt aber das Verhältnis der Monarchin zum Volk, ihre soziale Abgehobenheit und Dekadenz perfekt aus.
Was für ein Mensch zeigt sich dahinter?
Marie-Antoinette wurde sehr jung und unerfahren verheiratet und erfüllte lange nicht die Erwartungen des Hofes, da sie die Etikette nicht immer bedienen konnte oder wollte. Sie blieb außerdem einige Jahre kinderlos – ein großes Problem für ihren Status. Das alles führte bei ihr zu einer palastinternen Rebellion. Im Überkonsum und einer explosiven Extravaganz zeigt sich ein nach Selbstbestimmtheit strebender, unabhängiger Kreativgeist, der in seiner
manischen Egozentrik modern wirken kann. Da kann sie fast als Vorbild moderner Protestbewegungen wie des Punk gelten.
Marie-Antoinette hat den Haarturm, den sogenannten „Pouf“, salonfähig gemacht und wurde zu einer absoluten Mode-Trendsetterin. Dem „System Königin“ entkam sie dennoch nicht.
Sie zeigt wie kaum eine andere, wie fremdbestimmt Königinnen waren und gerade durch ihre Sichtbarkeit Opfer fremder Interessen wurden. Damit wird sie fast zur tragischen Figur, weil sie am Ende etwas repräsentiert was sie nicht mal ansatzweise selbstbestimmt gewählt hat. So erzählt sie uns heute vielleicht von einer unglaublichen Energie, einer Wut des Grenzenlosen, das zugleich abschreckt wie in seiner Fülle fasziniert. Sie hat das Limit einfach ausgereizt. Theoretisch und ästhetisch-künstlerisch ist das höchst faszinierend. Oder eben fast selbst ein Kunstwerk – wenn es nicht real gewesen wäre und sie in ihrem Überfluss und Machtgehabe nicht ein Unrechts- und Willkürregime wie die Monarchie repräsentieren würde.
Der Clou des Stückes ist, dass sich diese alt gewordenen, ikonischen Monarch*innen ständig an ihrer eigenen politischen Bedeutungslosigkeit abarbeiten. Welchen Reiz hat das Erzählen einer solchen kontrafaktischen Komödie?
Tatsächlich ist es ganz befreiend! Die Verschwörungstheorien und die historischen Verdrehungen sind so absurd und zugleich unterhaltsam, als würde das Stück sagen: „Hängt euch nicht an euren Glauben oder euer Wissen! Spielt!“ Es macht unglaublich Spaß, die Absurdität der Gegenwart in der Vergangenheit wiederzufinden und zu spiegeln. Das Setting birgt an mancher Stelle die Gefahr, die Demokratie und das faktenbasierte Handeln mit dem willkürlichen und postfaktisch-autoritären gleichzusetzen. Ich hoffe, dass wir das umschifft haben. Das Stück nimmt ja alle aufs Korn, angefangen bei den sturen Royalist*innen über die revolutionären Begründer*innen einer fragilen Demokratie bis hin zu Fake-News-Anhänger* innen. Und mit diesen teils monströsen Typen zu spielen und sie humorvoll erfahrbar zu
machen, bannt ihren Schrecken manchmal ein bisschen.
Das Gespräch führte Sina Katharina Flubacher
Marie-Antoinette ist so etwas wie das schrille übersteigerte Bild der absoluten Monarchie. Obwohl sie selbst gar nicht so viel Macht hatte und ihr Mann Ludwig XVI. scheinbar nicht der fähigste König war, scheint die französische Monarchie zu dieser Zeit auf dem Gipfel ihrer Macht und Prunksucht. Sie ist darin aber schon gekippt, ins Perverse des Überflusses, der starren Mechanik und der maximalen Entfernung von den Bedürfnissen des Volkes. Der Spruch „Wenn sie kein Brot haben, sollen sie Kuchen essen!“ stammt eigentlich gar nicht von Marie-Antoinette, er drückt aber das Verhältnis der Monarchin zum Volk, ihre soziale Abgehobenheit und Dekadenz perfekt aus.
Was für ein Mensch zeigt sich dahinter?
Marie-Antoinette wurde sehr jung und unerfahren verheiratet und erfüllte lange nicht die Erwartungen des Hofes, da sie die Etikette nicht immer bedienen konnte oder wollte. Sie blieb außerdem einige Jahre kinderlos – ein großes Problem für ihren Status. Das alles führte bei ihr zu einer palastinternen Rebellion. Im Überkonsum und einer explosiven Extravaganz zeigt sich ein nach Selbstbestimmtheit strebender, unabhängiger Kreativgeist, der in seiner
manischen Egozentrik modern wirken kann. Da kann sie fast als Vorbild moderner Protestbewegungen wie des Punk gelten.
Marie-Antoinette hat den Haarturm, den sogenannten „Pouf“, salonfähig gemacht und wurde zu einer absoluten Mode-Trendsetterin. Dem „System Königin“ entkam sie dennoch nicht.
Sie zeigt wie kaum eine andere, wie fremdbestimmt Königinnen waren und gerade durch ihre Sichtbarkeit Opfer fremder Interessen wurden. Damit wird sie fast zur tragischen Figur, weil sie am Ende etwas repräsentiert was sie nicht mal ansatzweise selbstbestimmt gewählt hat. So erzählt sie uns heute vielleicht von einer unglaublichen Energie, einer Wut des Grenzenlosen, das zugleich abschreckt wie in seiner Fülle fasziniert. Sie hat das Limit einfach ausgereizt. Theoretisch und ästhetisch-künstlerisch ist das höchst faszinierend. Oder eben fast selbst ein Kunstwerk – wenn es nicht real gewesen wäre und sie in ihrem Überfluss und Machtgehabe nicht ein Unrechts- und Willkürregime wie die Monarchie repräsentieren würde.
Der Clou des Stückes ist, dass sich diese alt gewordenen, ikonischen Monarch*innen ständig an ihrer eigenen politischen Bedeutungslosigkeit abarbeiten. Welchen Reiz hat das Erzählen einer solchen kontrafaktischen Komödie?
Tatsächlich ist es ganz befreiend! Die Verschwörungstheorien und die historischen Verdrehungen sind so absurd und zugleich unterhaltsam, als würde das Stück sagen: „Hängt euch nicht an euren Glauben oder euer Wissen! Spielt!“ Es macht unglaublich Spaß, die Absurdität der Gegenwart in der Vergangenheit wiederzufinden und zu spiegeln. Das Setting birgt an mancher Stelle die Gefahr, die Demokratie und das faktenbasierte Handeln mit dem willkürlichen und postfaktisch-autoritären gleichzusetzen. Ich hoffe, dass wir das umschifft haben. Das Stück nimmt ja alle aufs Korn, angefangen bei den sturen Royalist*innen über die revolutionären Begründer*innen einer fragilen Demokratie bis hin zu Fake-News-Anhänger* innen. Und mit diesen teils monströsen Typen zu spielen und sie humorvoll erfahrbar zu
machen, bannt ihren Schrecken manchmal ein bisschen.
Das Gespräch führte Sina Katharina Flubacher

Foto: Thomas M. Jauk
Scharf – aber bitte mit Sahne!
In der schwarzen Komödie "Marie-Antoinette oder Kuchen für alle!" spielen Bettina Riebesel und Jörg Dathe ein königliches Paar.
Aus Kuchen machen sie sich nicht besonders viel. Schon gar nicht aus dicken, süßen Torten. Bettina Riebesel und Jörg Dathe lieben eher herzhaftes Essen – durchaus auch mit sehr scharfer Note. „Ich esse manchmal schon zum Frühstück Peperoni“, erzählt Riebesel und lacht. Seit 1996 sind die beiden zusammen, dieses Jahr feiern sie ihren 20. Hochzeitstag.
Wie passend, dass sie genau dieses Jahr ein königliches Paar spielen: In Peter Jordans schwarzer Komödie „Marie-Antoinette oder Kuchen für alle!“, die am 26. April im Palais Lichtenau Premiere hat, spielt Bettina Riebesel die titelgebende Königin, Jörg Dathe ihren Mann König Ludwig XVI.. Nach der Französischen Revolution sitzt das Paar in Versailles fest und wartet nun schon seit fast 20 Jahren auf seine Hinrichtung. Aber immerhin haben beide einander. „Sie betrügen sich, zanken sich, sind eifersüchtig, spielen böse Spiele mit ihren Untergebenen“, sagt Riebesel, was verschiedene prächtige Rollen für Ulrike Beerbaum und Joachim Berger mit sich bringt. „Gleichzeitig finden sie sich richtig klasse.“ Dathe ergänzt: „Sie sind völlig überflüssig geworden und verstehen auch dieses neue Demokratie-Konzept überhaupt nicht.“ Herrliche Dialoge enthalte das Stück; es erzähle eine Geschichte, die „auf merkwürdige Weise“ ganz viel mit der Gegenwart zu tun hat. Die königliche Elite, die das „normale“ Volk nicht mehr versteht und nie verstanden hat. Das Palais Lichtenau sei ein schöner Spielort dafür – trotz einiger Einschränkungen wegen des Denkmalschutzes.
Zusammenleben und dann auch noch zusammen auf der Bühne spielen – geht das denn gut? „Wir stehen wirklich gern gemeinsam auf der Bühne. Gerade in unserem Beruf, in dem man viel umherziehen muss, ist es schön, eine vertraute Person an seiner Seite zu haben“, sagt Dathe. „Wir verstehen beide, was es bedeutet, am Theater zu arbeiten, können uns stützen, uns austauschen, vertrauen uns“, ergänzt Riebesel. Gleichzeitig seien sie die schärfsten Kritiker*innen füreinander, aber auch das helfe. „Wenn man so dicht zusammenarbeitet wie wir, darf man nicht empfindlich sein“, weiß Riebesel.
Kennengelernt haben sie sich bei einer Produktion des Musicals „The Rocky Horror Show“ in Leipzig, in der sie die Magenta und Dathe den Riff Raff spielte. An die zackige, strenge amerikanische Choreografin erinnern sich beide bis heute. „Ich brauchte etwas länger, um mir die Schritte zu merken“, erinnert sich Riebesel. „Jörg hat mir sehr dabei geholfen, und so sind wir uns nähergekommen.“ Gesungen wird auch in „Marie-Antoinette oder Kuchen für alle!“, worauf sich beide freuen. Für Jörg Dathe ist Musik sowieso die große Passion. Zu Hause musiziert er jeden Tag, spielt Cello, Gitarre und am liebsten Klavier. Bettina Riebesel kocht leidenschaftlich gern, sie probiert viel Neues und Unbekanntes aus. Ausgefallene Buffets zur Freude der Gäste werden vorher tagelang kreiert, erzählt sie lachend.
Ab und zu wird dann auch mal ein Kuchen dazu gebacken – meist Marmorkuchen mit Schokoglasur. Dazu gönnt sich Riebesel dann doch noch einen kleinen Luxus, wie sie verrät: „Ich liebe Schlagsahne. Wenn schon, denn schon!“
Sarah Kugler (Erschienen im Theatermagazin ZUGABE, 2-2025)
Wie passend, dass sie genau dieses Jahr ein königliches Paar spielen: In Peter Jordans schwarzer Komödie „Marie-Antoinette oder Kuchen für alle!“, die am 26. April im Palais Lichtenau Premiere hat, spielt Bettina Riebesel die titelgebende Königin, Jörg Dathe ihren Mann König Ludwig XVI.. Nach der Französischen Revolution sitzt das Paar in Versailles fest und wartet nun schon seit fast 20 Jahren auf seine Hinrichtung. Aber immerhin haben beide einander. „Sie betrügen sich, zanken sich, sind eifersüchtig, spielen böse Spiele mit ihren Untergebenen“, sagt Riebesel, was verschiedene prächtige Rollen für Ulrike Beerbaum und Joachim Berger mit sich bringt. „Gleichzeitig finden sie sich richtig klasse.“ Dathe ergänzt: „Sie sind völlig überflüssig geworden und verstehen auch dieses neue Demokratie-Konzept überhaupt nicht.“ Herrliche Dialoge enthalte das Stück; es erzähle eine Geschichte, die „auf merkwürdige Weise“ ganz viel mit der Gegenwart zu tun hat. Die königliche Elite, die das „normale“ Volk nicht mehr versteht und nie verstanden hat. Das Palais Lichtenau sei ein schöner Spielort dafür – trotz einiger Einschränkungen wegen des Denkmalschutzes.
Zusammenleben und dann auch noch zusammen auf der Bühne spielen – geht das denn gut? „Wir stehen wirklich gern gemeinsam auf der Bühne. Gerade in unserem Beruf, in dem man viel umherziehen muss, ist es schön, eine vertraute Person an seiner Seite zu haben“, sagt Dathe. „Wir verstehen beide, was es bedeutet, am Theater zu arbeiten, können uns stützen, uns austauschen, vertrauen uns“, ergänzt Riebesel. Gleichzeitig seien sie die schärfsten Kritiker*innen füreinander, aber auch das helfe. „Wenn man so dicht zusammenarbeitet wie wir, darf man nicht empfindlich sein“, weiß Riebesel.
Kennengelernt haben sie sich bei einer Produktion des Musicals „The Rocky Horror Show“ in Leipzig, in der sie die Magenta und Dathe den Riff Raff spielte. An die zackige, strenge amerikanische Choreografin erinnern sich beide bis heute. „Ich brauchte etwas länger, um mir die Schritte zu merken“, erinnert sich Riebesel. „Jörg hat mir sehr dabei geholfen, und so sind wir uns nähergekommen.“ Gesungen wird auch in „Marie-Antoinette oder Kuchen für alle!“, worauf sich beide freuen. Für Jörg Dathe ist Musik sowieso die große Passion. Zu Hause musiziert er jeden Tag, spielt Cello, Gitarre und am liebsten Klavier. Bettina Riebesel kocht leidenschaftlich gern, sie probiert viel Neues und Unbekanntes aus. Ausgefallene Buffets zur Freude der Gäste werden vorher tagelang kreiert, erzählt sie lachend.
Ab und zu wird dann auch mal ein Kuchen dazu gebacken – meist Marmorkuchen mit Schokoglasur. Dazu gönnt sich Riebesel dann doch noch einen kleinen Luxus, wie sie verrät: „Ich liebe Schlagsahne. Wenn schon, denn schon!“
Sarah Kugler (Erschienen im Theatermagazin ZUGABE, 2-2025)