Hinter den Kulissen

TISCHLEREI

Von filigran bis robust

In der Tischlerei des Hans Otto Theaters nimmt jedes Bühnenbild seinen Anfang.
Ihnen wird es nie langweilig: Michael Wegner, Rainer Schroeter (Leiter), Mathias Schmidt und Sebastian Gräf in der Tischlerei
In der Tischlerei des Hans Otto Theaters sind die Spuren der täglichen Arbeit nicht zu übersehen: Am Boden liegen Holzspäne, und in dem 6,50 Meter hohen, lichtdurchfluteten Raum sind Konstruktionen kommender Produktionen aufgebaut. Während an einer Wand gut ausgestattete Werkbänke stehen, ist eine andere fast zur Gänze mit einem Gemälde bedeckt, das den Markusplatz in Venedig zeigt. Die Wanddekoration schmückte schon das Bühnenbild der 1980 aufgeführten Operette „Eine Nacht in Venedig“ von Johann Strauß.

Sebastian Gräf und Mathias Schmidt, zwei der insgesamt vier Tischler, stammen beide aus theaternahen Familien. Auch Schmidts Eltern haben am Hans Otto Theater gearbeitet, und obwohl er nie viel mit Theater am Hut hatte, führte ihn sein Weg 1995 doch hier ans Haus, „und das ist auch gut so“, wie er beteuert. Sebastian Gräf stammt aus
einer Restauratorenfamilie und hat, bevor er vor 35 Jahren ans Hans Otto Theater kam, am DDR-Prestigeprojekt – den Plattenbauten in Hellersdorf- Marzahn – mitgearbeitet.

Die Arbeit in der Tischlerei reicht von Bilderrahmen bis zum massiven Fachwerk. Wichtig dabei: „Es muss filigran sein und trotzdem Schläge abkönnen“, erklärt Gräf. Oft werde bei gekauften Möbeln vergessen, dass nicht alle bühnentauglich sind, ergänzt Schmidt. Denn Theaterelemente müssen durch den täglichen Auf- und Abbau sowie das Hin- und Hergeschiebe einiges aushalten. Basis für jedes Bühnenbild ist die sogenannte Theaterlatte (eine genormte Holzleiste). Das Zählen der verwendeten Latten haben die Tischler schnell wieder aufgegeben, denn jede Produktion benötigt im Schnitt ca. 150 Stück.

An ihrer Arbeit in der Tischlerei schätzen beide die Abwechslung. Die kreativen Freiräume haben Mathias Schmidt anfangs sehr beeindruckt. „So wird es nie langweilig“, betont er. Beide heben die Bedeutung eines guten Zusammenspiels zwischen den Gewerken hervor. Das eine oder andere Mal treten sie dabei auch mit eigenen Vorschlägen an die Bühnenbildner* innen heran. Auch nach den vielen Jahren am Haus ist der Bau von Imitationen für die beiden eine besonders spannende Herausforderung. Für „Amadeus“ beispielsweise wurde eine alte Cembalo- Nachbildung wieder ausgegraben, die schon vor über 20 Jahren auf der Bühne stand. Die Fake-Tastatur muss nun gegen ein bespielbares Keyboard ausgetauscht werden.

Auch über das Thema Nachhaltigkeit machen sich die Tischler Gedanken. Da sei noch viel Arbeit zu leisten, „vor allem Denkarbeit“, meint Gräf. So seien sie zwar bemüht, alte Sachen, die von der Technik aussortiert wurden, wiederzuverwenden, aber manchmal sei das einfach nicht möglich. Da geht der Appell der Tischler vor allem an die Bühnenbildner*innen, in dieser Hinsicht umzudenken.

Die aktuelle Pandemiesituation ist auch in der Tischlerei zu spüren. Infolge der Rohstoffknappheit haben sich die Holzpreise im Laufe des letzten Jahres fast verdoppelt. Mathias Schmidt wünscht sich, dass das Theater noch lange bestehen bleibt und das Publikum zurückkommt. „Wie werden die Stücke nach Corona aussehen? Da wird sich das Theater wahrscheinlich fast neu erfinden müssen“, fügt Sebastian Gräf hinzu. Ein Traum für ihn wäre die „Rocky Horror Show“ im Gasometer: „Eine ausgelassene Theaterparty, an der alle teilnehmen können – Schauspieler und Zuschauer. Ein Aufrütteln nach Corona.“

Leni Roller
Dekowerkstatt

KUNST TRIFFT HANDWERK

In der Dekorationsabteilung des Hans Otto Theaters nehmen Bühnenbilder stofflich Gestalt an – Spezialeffekte inklusive. Ein Besuch in der Werkstatt.
Auch nach 30 Jahren noch mit Freude bei der Arbeit: Raumausstatter Ingo Jesorka
Meterhohe Stellwände, opulente Sessel und eine raumfüllende Arbeitsplatte – in der Dekorationsabteilung des Hans Otto Theaters sind die Spuren der handgefertigten Kulissen nicht zu übersehen. Fast zeitgleich haben die Raumausstatter Ingo Jesorka und Andreas Trüschel 1990 ihren Weg an das Theater gefunden. Seitdem nähen sie Vorhänge, beziehen Gestelle und verleihen Bühnenelementen Spezialeffekte, um nur ein paar ihrer Aufgaben zu nennen. Sie kommen aus Potsdam und Teltow; zuvor hatten sie bei einem privaten Polsterer gearbeitet. Doch nach 1989 wurde ihre Handwerksarbeit immer weniger gebraucht. „Nach der Wende sind die Leute in die Läden gegangen und haben günstig Möbel gekauft“, erzählt Ingo Jesorka. „Das konnte ein privater Polsterer, der das per Hand anfertigt, gar nicht bieten.“ Im kreativen Mikrokosmos des Theaters dagegen sind genau diese Fähigkeiten bis heute gefragt.
An seiner Arbeit in der Deko-Abteilung schätzt Jesorka besonders die kreative Freiheit zwischen Kunst und Handwerk. Denn nur selten machen die Bühnenbildner*innen exakte Vorgaben für die genaue Ausführung. Das eröffnet den beiden Raumausstattern einen schöpferischen Spielraum. Und ihre Tätigkeiten sind äußerst vielfältig: Sie fertigen Soffitten (Deckenkulissen) und Prospekte (Wandkulissen) an, verkleiden Stellwände, verspannen Folien und Effektgewebe und sind zur Stelle, wenn Möbel neu gepolstert werden müssen – egal, ob Königsstuhl oder altes Sofa. Manchmal fabrizieren sie auch Taschen für die Requisite oder Koffer mit Spezialeffekten. „Wir verarbeiten hier alles, was mit Stoff in Verbindung gebracht wird. Nur keine Kostüme“, erklärt Jesorka schmunzelnd. Manchmal sind es auch simple Tätigkeiten wie zum Beispiel beim Bühnenbild von „Vor Sonnenaufgang“: Das Herzstück des Bühnenbildes – ein mit Wasser gefülltes rundes Becken – haben sie mit Teichfolie ausgelegt. Für die Winteroper nähen Jesorka und Trüschel Deckenkulissen und Prospekte. Nachdem diese im Malsaal bemalt werden, kehren sie nochmal zurück in die Dekorationsabteilung und werden dort auf das richtige Maß konfektioniert. Viele Bühnenelemente wandern von Gewerk zu Gewerk und werden dort weiter bearbeitet. Ohne gutes Zeitmanagement kommt es dabei auch schnell mal zu Unstimmigkeiten.
Langweilig wird den beiden bei ihrer Arbeit selten, denn fast jedes Bühnenbild fordert ihren Erfindungsreichtum heraus. Auch Scheitern gehört immer wieder dazu, bis die perfekte Technik gefunden ist. „Oft muss man wieder von vorn beginnen“, meint Jesorka. Auch die Teamarbeit muss immer wieder neu austariert werden. Manchmal knirscht es dabei zwischen den beiden, doch in der Regel kommen sie gut miteinander klar. „Ich bin stolz darauf, dass das auch nach 30 Jahren immer noch klappt“, sagt Jesorka.
Heute werden Polsterer auch jenseits der Theaterwelt wieder mehr und mehr nachgefragt. „Jetzt haben die Leute wieder Geld und lassen auch alte Möbel aufpolstern. Und jetzt merkt man sowohl als Sattler wie auch als Raumausstatter: Wir haben wieder Arbeit“, ist Ingo Jesorka zuversichtlich. „Der Beruf wird nicht aussterben.“

Leni Roller
Arbeitsalltag in Zeiten von Corona
UMFRAGE

„Fass mich nicht an!“

Küssen verboten, aber wie probt es sich mit Abstand? Corona hat den Arbeitsalltag am Theater einschneidend verändert. Wir haben nachgefragt, was das für die verschiedenen Gewerke bedeutet.
Kostümabteilung

Im Reich der tausend Kleider

Hier entstehen Kleidungsstücke, die alles aushalten: Schwitzen, Theaterblut, stundenlange Wasserbäder. Ein Besuch in der Kostümabteilung von Hans Otto
Kraftvoll schiebt Kostümdirektorin Antje Sternberg eine Handvoll Bügel mit prunkvollen Abendkleidern an die Spitze der langen Garderobenstange – eine von vielen, die hier von der Decke hängen. Der kleine Raum nebenan sieht ein bisschen aus wie ein Tigerkäfig im Zoo. Hier lagern die Kostüme der aktuellen Produktionen. Für manche Kostümbildner*innen, die landauf, landab an verschiedenen Häusern arbeiten, ist dies „der bestsortierte Fundus der Theaterwelt“.

16 Frauen sind in der Kostümabteilung beschäftigt. Eine Schuhmacherin gehört ebenso dazu wie die Ankleiderinnen. Der Theaterfundus ist das Herzstück. „Wir haben über 10.000 Kostüme. Es fällt uns schwer, Dinge wegzuschmeißen“, erklärt Antje Sternberg, die seit 1999 am Hans Otto Theater arbeitet. Hier finden sich Schätze wie eine silberne Ritterrüstung, die aus Paketschnur gestrickt wurde, und natürlich all die Proben- und Aufführungskostüme der aktuellen Stücke. Nach dem Umzug an den Tiefen See 2006 konnte der Fundus komplett neu aufgebaut werden. „Wir sortieren nicht nach Stücken, sondern nach Themen: Männer oder Frauen, Hemden oder Kleider, manchmal auch nach Farben. Das ist sehr viel Arbeit, täglich gehen Kostüme rein und raus“, erzählt Sternberg.

Jede Inszenierung verlangt ein intensives Einfühlen in die künstlerische Idee. Dabei ist es auch wichtig zu wissen, welchen Anforderungen das Kleidungsstück genügen muss: Soll es schnell an- oder ausgezogen werden? Wie bewegt sich die Person, die das Kostüm tragen wird? Schwitzt sie viel? „In jedem Ensemble gibt es jemanden, bei dem immer die Hosen kaputt gehen, wirklich immer. Dann nähen wir auch manche Stellen doppelt“, lacht Gewandmeisterin Antje Kyntschl, die zugleich stellvertretende Kostümdirektorin ist.

Aufgeteilt ist die Schneiderei in einen Damen- und einen Herrenbereich. Die Nähmaschinen stehen in zwei großen, hellen Räumen, deren Wände Theaterplakate und Figurinen zieren. Besonders schön und kniffelig war es für die Schneiderinnen, die runden, ausladenden Kostüme der „Geldsäcke“ in „Cabaret“ zu erfinden: Sie werden durch eingenähte Hula-Hoop-Reifen in ihre Form gebracht. Ganz anders die Kugelkostüme der „Nashörner“, für die Federstahl verarbeitet wurde, damit sie sich zusammenschieben können und die Form auch im Sitzen erhalten bleibt. Ende März veränderte sich der Arbeitsalltag in der Schneiderei radikal: Dort, wo sonst unterschiedlichste Materialien durch die Nähmaschinen rattern, war plötzlich Fließbandarbeit angesagt. 2.000 Mund-Nasenschutz-Masken mussten genäht werden – als Spende des Theaters an das Klinikum Ernst von Bergmann und für die eigene Belegschaft. Welchen Anforderungen künftige Kostüme unter Corona-Bedingungen genügen müssen, wird sich erst noch zeigen. Ein kreativer Umgang mit der aktuellen Lage ist jedoch gewiss.

Elena Iris Fichtner
Beleuchtung

Ein großer, leiser Mann

Alfried Albert hat zwei Jahrzehnte lang als Beleuchter am Hans Otto Theater gearbeitet. Zum Jahreswechsel ging er in den Ruhestand. Die Schauspielerin Franziska Melzer widmet ihm zum Abschied diesen Text.
„Unglaublich, was man mit Licht machen kann“: Beleuchter Helfried „Heli“ Alber
Heli gehört zu den ersten Gesichtern, zu den ersten Menschen, an die ich mich aus meiner Anfangszeit am Hans Otto Theater erinnere. Er hat diese freundliche, zurückhaltende Art, ist so ein großer, leiser Mensch, aus dessen Augen aber Funken sprühen, wenn ihm was gefällt, ihn was begeistert. Und nun ist der Beleuchter Helfried Albert nach 20 Jahren am HOT zum Ende des Jahres in Rente gegangen.

Bei unserem Gespräch erzählt er mir, dass sein Weg zum Theater irgendwie zwangsläufig war. Seine Großeltern waren fahrende Schauspieler in der Truppe seiner Urgroßmutter im damaligen Sudetenland. Der Zweite Weltkrieg setzte dem ein Ende, und Helis Eltern wurden in Stollberg im Erzgebirge sesshaft. Schon als Schüler machte er bei einer Pioniertheatergruppe mit. „Theater hieß für mich: raus aus dem Zwang, rein in die Rolle.“ Lange war er einer, der immer aneckte, gegen die Enge der DDR anrannte, sich „nie wohlgefühlt hat in der Kollektivwirtschaft“. Als Erwachsener arbeitete er zuerst bei der Reichsbahn, und als sich dann eine Beleuchterstelle im Metropoltheater auftat, begann für Heli eine tolle und wichtige Zeit.

Was macht eigentlich ein Beleuchter, Heli? „Ein Beleuchter richtet nach den Vorgaben des Regisseurs und des Bühnenbildners das Licht auf der Bühne so ein, dass eine neue Welt entsteht. Licht macht nicht nur den Bühnenraum plastisch, sondern auch die Personen, die Gesichter. Es ist unglaublich, was man mit Licht machen kann.“ In den letzten Jahren hat sich die Arbeit gewaltig verändert, erzählt er. „Wir arbeiten sehr häufig mit computergesteuerten Scheinwerfern, die auch Bilder und Farben auf die Bühne zaubern können. Und mein Job im Stellwerk ist es, diesen Computer zu bedienen.“ In der Beleuchtungsabteilung arbeiten neben Heli noch acht weitere Beleuchter, zwei Beleuchtungsmeister, der Leiter der Abteilung und sein Stellvertreter.

„Ich habe auf, hinter und vor der Bühne viel gelernt. Vor allem aber, wie wichtig Toleranz ist. Leben und leben lassen, denn die Show sollte weitergehen“, fasst Heli seine Erfahrungen zusammen. „Im Theater trifft der hoffnungslose Träumer auf den knallharten Realisten, der Tyrann, der sein Selbstbewusstsein aus allen Poren schwitzt, auf hochsensible, feinsinnige Philanthropen, der Tatendrang auf Resignation. Dass mir die aktive Zeit am Hans Otto Theater in besonders schöner Erinnerung bleiben wird, liegt an der Freundlichkeit und Toleranz aller Kollegen, denen ich bei dieser Gelegenheit danke sagen möchte. Ganz besonders dem Abteilungsleiter Thomas Schellenberger – für mich der beste Chef, den ich je hatte. Ich wünsche allen Kollegen eine wunderschöne Zeit!“

Für die Zukunft hat Heli viele Pläne. Er wird seine Leidenschaften pflegen, die lange zu kurz kamen. Er begeistert sich zum Beispiel für Physik und schreibt über die Relativitätstheorie. Und er bearbeitet Fotografien am Computer auf kunstvolle Weise. Lieber Heli, genieße deine neugewonnene Zeit! Wir werden dich vermissen. Sehr!

Franziska Melzer ist seit der Spielzeit 2009/10 Ensemblemitglied am Hans Otto Theater. Derzeit ist sie u. a. in „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“, „Auf dich, Theo!“ und „Das achte Leben (Für Brilka)“ zu sehen.


veröffentlicht in ZUGABE MAGAZIN 01-2020
Malsaal

„Das Handwerk muss sitzen“

Hier muss man groß denken: Im Malsaal des Hans Otto Theaters erhalten die Bühnenbilder ihre Optik. Ein Besuch bei den Potsdamer Theatermaler*innen.
Die Drei vom Malsaal: Silke Helmus, Norbert Wagner und Jaqueline Teschner (von links)
Elf mal fünf Meter groß ist die Leinwand, auf die Norbert Wagner Figuren aus dem wilden Berlin der 20er Jahre malt. Es handelt sich um die Imitation eines Bildes von George Grosz. Ausgebreitet liegt der Prospekt auf dem Boden eines ehemaligen Autohauses in der Berliner Straße. Da sich im hauseigenen Malsaal die Arbeit gerade stapelt, wurde der Raum zusätzlich angemietet.

Neben der Bühne ist der Malsaal vermutlich der größte Raum im Hans Otto Theater. Lichtdurchflutet und voller Farbspritzer wird er von den drei Theatermaler*innen Silke Helmus, Jacqueline Teschner und Norbert Wagner belebt. Meist werden mehrere Theaterproduktionen gleichzeitig bearbeitet, momentan die Bühnenbilder für „Homo empathicus“ und „Cabaret“. Immer wieder kommen Reparaturen nach den Vorstellungen hinzu. „Unser Arbeitstag ist kaum planbar“, lacht Jacqueline Teschner. Sie hat zunächst am Hans Otto Theater eine Ausbildung zur Theatermalerin absolviert, um dann in Dresden Theatermalerei zu studieren. Seit 2016 leitet sie den Malsaal. „Im laufenden Theaterbetrieb hat man keine Zeit, um etwas auszuprobieren. Das Handwerk muss einfach sitzen. Im Studium konnte man eine Malerei über Monate komplett ,durchstehen‘. Dort lernt man, detailliert Architektur, Figuren, Pflanzen und Landschaften zu kopieren und dann vergrößert zu malen. Und darauf kommt es an.“ Zu Beginn jeder Produktion gibt es eine Bauprobe. Dort stellt das künstlerische Team den Gewerken am Theater seine Pläne vor. Darauf folgt die Werkstattabgabe, bei der die Bühnenbildner*innen ihr Modell und ihre Zeichnungen präsentieren und erklären müssen. „Es ist wichtig zu verstehen, welche Optik genau gewollt ist. Nicht jeder kann gut ausdrücken, was er sich vorstellt“, so Teschner. Friedrich Eggert, der Bühnenbildner von „Cabaret“, weiß genau, was er will: Das Rot muss noch ein bisschen wärmer sein, das Ornament ein bisschen zackiger. „Das ist super. Anstrengend wird es, wenn keine Entscheidungen getroffen werden.“

Im Bühnenbild von „Cabaret“ wird so gut wie alles bemalt, die Wände, der Tanzboden, jedes Möbelstück. Hinzu kommen drei Prospekte, die dann, von oben heruntergelassen, das Bühnenbild ergänzen. Die Vorlagen werden mit Hilfe eines Quadratnetzes auf die Prospekte übertragen. „Es ist nicht so, dass wir schauen, welche Striche in welchem Quadrat sind und das dann auf den Stoff malen. Sondern wir stehen direkt auf dem Bild mit großen langen Pinseln und Malstäben und versuchen, das Motiv auf den Stoff zu übertragen. Deshalb gibt es in Malsälen auch häufig Galerien und Leitern, damit man von oben auf das Bild gucken kann. Man braucht den Abstand, um sich vorstellen zu können, wie es nachher auf der Bühne aussehen soll“, erläutert Teschner. Manchmal sieht sie nach der Arbeit nur noch Striche oder Blätter vor den Augen – je nachdem, woran sie gerade arbeitet.

Ungefähr sechs Wochen hat das Malsaal-Team Zeit, um alle Arbeiten für ein Stück zu erledigen. Die Grosz-Kopie wird dann übrigens im Bühnenbild von „Cabaret“ zu bewundern sein.

Elena Iris Fichtner


veröffentlicht in ZUGABE MAGAZIN 04-2019
Requisite

Die Alleskönner

Dieses Handwerk kann man nicht erlernen. Wer es ausübt, folgt eher einer Berufung. Ein Besuch in der Requisite des Hans Otto Theaters.
Bereit für neue Abenteuer: Robin Struhl, Matthias Warneke (kleines Foto), Jana Chiari, Sabine Kassebaum und Christoph Bergmann (von links) sind die Requisite
Vor dem Fenster steht eine Sonnenbank. Dort, unter blühenden Sträuchern, gleich neben dem Bühneneingang des Theaters, hat die Requisite ihren Sitz. Aber was ist das eigentlich: die Requisite? Und was genau macht sie so wichtig am Theater?

Alles, was auf der Bühne zu sehen ist, was kleiner ist als ein Möbelstück und was man nicht anziehen kann, zählt am Theater zur Requisite. Also beispielsweise Bettwäsche, Blumen, Briefe, Bücher, Geschirr, Handtaschen, Koffer, Sonnenbrillen, Waffen und Zigaretten. Fünf Requisiteur*innen mit ganz unterschiedlichen Ausbildungen arbeiten hinter den Kulissen: Robin Struhl, der Chef, ist Modellbauer, Christoph Bergmann Tischler, Jana Chiari Schauwerbegestalterin, Sabine Kassebaum Theatermalerin, und Matthias Warneke ist Schlosser. Sie bauen Marionetten, beherrschen die Elektronik und bringen Dinge zum Explodieren. Dafür haben sie extra einen Bühnenpyrotechnikerschein gemacht. Eine Woche lang in Vollzeit, mit Abschlussprüfung.

„Jede Theaterproduktion ist anders, man weiß nie, was auf einen zukommt. Genau das macht den Beruf so spannend. Man muss auf die absurdesten Ideen kommen“, sagt Sabine Kassebaum, seit 2008 am Hans Otto Theater beschäftigt. Zu Probenbeginn bekommt die Requisite eine Liste mit allen Dingen, die für die Inszenierung gebraucht werden. Dann beginnt die Recherche, das Nachdenken, was möglich ist, was man selbst herstellen kann oder was bestellt werden muss. In „Jeder stirbt für sich allein“ sollte ein Radio mitspielen, das genau so aussieht wie zu Falladas Lebzeiten. Die Originalgeräte aus den 20er Jahren waren zu teuer und zu empfindlich. Also baute Sabine Kassebaum das Radio kurzerhand selbst nach: „Ein robuster Holzkasten, der gar nix kann, aber auf der Bühne aussieht wie ein Radio. Die Knöpfe, die vorn aufgeklebt wurden, sind angemalte Flaschendeckel.“ Bei „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“ erwies sich die Herstellung der Schneebälle als besondere Herausforderung. Sie müssen essbar sein, mit dem Golfschläger durch den Raum zu schießen und sollten sich beim Aufprall verhalten wie echte Schneebälle. Nach vielen Experimenten erwies sich klein geklopftes Crushed Ice, in Ballform eingefroren, als die Lösung.

Für jedes Stück ist ein*e Requisteur*in zuständig. In den Endproben sind es zwei, damit im Krankheitsfall jemand einspringen kann. „Man muss sehr aufmerksam sein, einen Blick für das große Ganze haben und mögliche Probleme vorhersehen können“, erklärt Jana Chiari, die stellvertretende Leiterin. Um sich alle Abläufe und Requisiten zu merken, führen sie eine penible Liste pro Inszenierung. Gerade wenn ein Stück länger nicht gespielt wird, ist das sehr hilfreich.

Die Requisitenliste für die Eröffnungspremiere „Das achte Leben (Für Brilka)“ ist ungewöhnlich lang, Sabine Kassebaum spricht von einer „Requisiten-Schlacht“. Es könnte sich also lohnen, beim Besuch dieser Inszenierung mal etwas genauer hinzuschauen.

Elena Iris Fichtner

veröffentlicht in ZUGABE MAGAZIN 03-2019