DIE WELT HAT NOCH UNENDLICH VIELE MÖGLICHKEITEN

Interview mit der Autorin Ingeborg von Zadow
Ingeborg von Zadow © Friederike Hentschel

Was hat Sie bewogen, die Herren Goldbeutel und Pfefferkorn gemeinsam das „Haus Blaues Wunder“ beziehen zu lassen?

Ingeborg von Zadow: Theater lebt von Konflikten und dieser hat mich interessiert– was passiert, wenn man sich seinen Mitbewohner nicht aussuchen kann? Wenn der andere die gleichen Rechte hat und keiner bereit ist, von seinem Recht zurückzutreten? Dann haben wir eine Pattsituation – entweder haut man sich nun die Köpfe ein oder man versucht eben, irgendwie miteinander klar zu kommen und mit der Situation umzugehen. Das Existentielle kommt durch den begrenzten Raum. Das erzwungene Kennenlernen von jemandem muss ja aber nicht nur negativ sein, es kann auch zu einer positiven Änderung der eigenen Verhaltensweisen führen und die Sichtweise auf diese Person verändern.

Können die beiden Männer trotz ihrer unterschiedlichen Lebensweise auf lange Sicht zusammenkommen, sich womöglich sogar gegenseitig bereichern?

Warum nicht? Vielleicht in der Entdeckung, dass sie beide ja im Grunde als Einzelgänger unterwegs sind? Daraus könnte sich schon eine Art Schulterschluss entwickeln. Es muss ja nicht die tiefste Freundschaft dabei herauskommen, aber schon ein wenig Empathie und Vertrauen für jemand anderen zu entwickeln, könnte für diese beiden ein großer, neuer Schritt sein.

Welche Rolle spielt das Eichhörnchen „Badesalz“ für Sie?

Badesalz ist Herrn Pfefferkorns Form von Reichtum. Die Beziehung zu seinem Tier hat er Herrn Goldbeutel voraus. Aber Badesalz ist eben auch unberechenbar, kann also die Seiten wechseln, und das macht ihn für mich für die Situation spannend. Keiner der Männer hat die Kontrolle über das, was in dem Haus passiert.
Der Immobilienmakler Mr. Seller kommt ungestraft davon, warum?
Das Leben ist unfair!

Was inspirierte Sie zu der Namensgebung Ihrer Figuren?

Herr Pfefferkorn hieß mal „Pfeffersack“, was besser zu dem„-beutel“ von Herrn Goldbeutel gepasst hätte. Aber „Pfeffersäcke“ waren früher die Reichen und das hätte nicht zur Figur gepasst. Der Name „Goldbeutel“ entstand im Gespräch mit einer meiner Töchter – wir redeten über die Möglichkeit, die Figur „Geldbeutel“ zu nennen und ich glaube, sie machte dann „Goldbeutel“ draus. Und „Badesalz“ fand ich als Name für ein Eichhörnchen einfach herrlich skurril.

Welche Bedeutung hat das Meer in Ihrem Stück?

Das Meer ist natürlich erstmal ein Sehnsuchtsort. Aber ich habe es auch bewusst hineingebracht, damit Figuren und Publikum zwischendurch zumindest mit den Gedanken mal kurz ein wenig aus der Enge des Hauses herauskommen und sich vielleicht daran erinnern, dass es auch noch andere Orte auf der Welt als diesen einen gibt. Orte, an denen das Leben auch ein anderes, sorgloseres, sein könnte.

Ihre Leidenschaft ist es, gerade Stücke für Kinder im Grundschulalter zu schreiben. Was begeistert Sie an dieser Zielgruppe?

Eigentlich habe ich beim Schreiben nicht zuerst die Zielgruppe im Kopf, es geht immer erst um die Stückidee. Ich überlege mir dann während der Arbeit, für welche Zielgruppe es wohl passt. Offenbar lande ich da öfters im Grundschulalter. Schön ist, dass diese jungen Kinder oft noch besonders unbefangen reagieren. Ihnen steht ihr Kopf noch nicht so im Weg ihrer spontanen Reaktionen, sie haben weniger Hemmungen, sind noch nicht so angepasst. Diese Kinder sind auch ein sehr dankbares Publikum, wenn man sie erreichen und mitnehmen kann. Sie sind aber auch gnadenlos, wenn sie sich langweilen oder etwas blöd finden. Das schärft den Blick, man wird gezwungen, die eigene Arbeit immer wieder zu hinterfragen. Und schön ist natürlich auch, dass gerade Grundschulkinder oft bereitwillig jeden Quatsch mitmachen. Wahrscheinlich sind sie einfach noch selber sehr nah am Spiel und an ihren Phantasiewelten dran. Die kennen das. Außerdem hat die Welt für sie noch unendlich viele Möglichkeiten und viele offene Fragen. *

Ihre strenge, humorvolle Sprachrhythmik in Ihren Stücken ist zu Ihrem Markenzeichen geworden. Welche ästhetischen Ziele verfolgen Sie beim Schreiben?

Die Dialoge müssen für mich sowohl von der Logik des Stückes und der Figuren aus als auch vom Klang her funktionieren. Da muss man dann bei der Arbeit so manche überflüssige Note eliminieren, um die Melodie immer klarer zu erkennen. Auch möchte ich der Fülle an Wörtern und sonstigen Eindrücken, die tagtäglich auf uns einprasseln, ein wenig den Genuss von geformter, gestalteter Zeit entgegensetzen. Wenn ich ein Theaterstück schreibe, dann übernehme ich in gewisser Weise damit auch die Verantwortung für ein Stück Zeit von sehr vielen Menschen. Ich denke, damit sollte man verantwortungsbewusst umgehen. Das Publikum soll sich nicht langweilen, sondern von einer Aufführung für sich etwas mitnehmen und wiederkommen wollen. *

Die Theaterpädagogen Manuela Gerlach und Michael Böhnisch führten dieses Interview im September 2018

* aus Gesprächen zur Uraufführung am Jungen Nationaltheater Mannheim mit der Autorin Ingeborg von Zadow, 2015 Josephine Rausch und Anne Richter   

www.ingeborgvonzadow.com
Foto: Ingeborg von Zadow © Friederike Hentschel