Zweifler mit Esprit

Der Schauspieler Henning Strübbe denkt, fühlt und spielt intensiv – als nächstes in der französischen Gesellschaftskomödie DER VORNAME.
Kurz bevor das Hans Otto Theater Anfang März schließen musste, gab Henning Strübbe noch einmal alles. In der letzten Februarwoche stand er fünf Tage hintereinander auf der Bühne: am Dienstag in „Kabale und Liebe“, am Mittwoch in „Cabaret“, am Donnerstag in „Die Nashörner“, am Freitag in „Das achte Leben (Für Brilka)“ und am Samstag nochmal in „Cabaret“. Ein Mordsprogramm für einen Schauspieler, selbst wenn er über die Kondition eines Marathonläufers verfügt wie der drahtige 39-Jährige. Doch er beklagt sich nicht darüber. Im Gegenteil: „Eigentlich hab ich mir den Beruf genauso vorgestellt“, sagt Strübbe. „Das ist wirklich ein Geschenk.“ Er meint die Bandbreite der Charaktere, die er auf der Bühne verkörpern darf – vom unterwürfigen Hofmarschall von Kalb (bei Schiller) über den Nazi-Emporkömmling Ernst Ludwig (im Musical) bis zu Behringer, dem letzten Verteidiger der Menschheit (bei Ionesco).

Geboren und aufgewachsen ist Henning Strübbe in Ibbenbüren, einer „Perle in der westfälischen Provinz“, wie er selbst sagt. Von dort zog es ihn zum Schauspielstudium nach Leipzig und Dresden, bis er über Engagements in Wuppertal, Neuss und Cottbus schließlich im Sommer 2018 in Potsdam landete. Mit ihm als Ich-Erzähler in der Romanadaption „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ begann die neue Ära am Hans Otto Theater, denn Intendantin und Regisseurin Bettina Jahnke hatte ihn in ihrer Eröffnungsinszenierung prominent als Alexander besetzt. Die Premierenwoche sei „aufregend und lehrreich“ gewesen, erinnert sich Strübbe. Den Druck empfand er als „immens“, die Kritiken waren durchwachsen – und doch wurde der Abend ein Publikumserfolg. 16 gut besuchte Vorstellungen lieferten den Beleg. Inzwischen hat sich Henning Strübbe freigespielt. Als Büroangestellter Behringer in „Die Nashörner“ verausgabt er sich im Kreise seiner Mitspieler* innen bis an die Grenze des Leistungssports. Er mag diesen Abend, findet ihn „formal und ästhetisch sehr konsequent“. In den Proben zu „Das achte Leben“, inszeniert von Regie-Altmeisterin Konstanze Lauterbach, spürte er begeistert „den Atem einer anderen Theaterzeit“. Seine Darstellung der Regimekritiker Andro und Miqa (er spielte eine Doppelrolle) fesselte in ihrer existenziellen Wucht und Dringlichkeit. Aktuell gibt er einen übereifrigen Regierungsbeamten in „Die Jury tagt“.

Und nun also „Der Vorname“. Eine Komödie. Henning Strübbe muss schmunzeln, denn normalerweise wird er in diesem Fach nicht besetzt. Er sei ein Zweifler und neige zu einer gewissen Schwere, erzählt er – nicht gerade die Grundtugenden eines großen Unterhalters. In „Der Vorname“ spielt er Claude, den Jugendfreund des Gastgeberpärchens, der am Ende eines turbulenten Abendessens alle Anwesenden in verblüfftes Staunen versetzen wird. „Claude ist ein stilles Wasser – und tief“, sagt Strübbe und lächelt in sich hinein.

„Der Vorname“ verspricht hitzige Wortgefechte zwischen fünf Menschen, die sich schon ewig kennen und doch nur wenig voneinander wissen. Das Stück handle auch davon, „wie hysterisch Debatten werden können“, sagt Henning Strübbe. Das passe zu unserer Zeit. An Regisseur Moritz Peters schätzt er dessen Sinn für Präzision und Formbewusstsein. Auch er selbst bevorzugt im Spiel den „Kampf mit der feineren Klinge“. Wie das auf der Bühne aussieht, wird sich zur Premiere zeigen.

Björn Achenbach