ERKENNE DIE LAGE

Thomas Melle hat mit "Die Lage" ein Stück über die sich immer weiter zuspitzende Situation auf dem Wohnungsmarkt geschrieben. Ein Besuch auf der Probebühne
Foto: Thomas M. Jauk
Das sieht ganz schön anstrengend aus. Vorsichtig erkundet das Ensemble die Bühne. Entworfen hat die große Schräge der Ausstatter Ric Schachtebeck. Jeder Schritt will behutsam gesetzt sein. Nach einiger Zeit werden die Bewegungen mutiger. Mal laufen, mal rutschen oder springen die Schauspieler*innen auf der Bühne und probieren aus, was machbar ist. Alles erfolgt unter den Augen der Choreografin Anja Kożik, die gemeinsam mit der Regisseurin Elina Finkel daran arbeitet, die Wucht, die in Thomas Melles vielstimmigem Text mitschwingt, in körperlichen Ausdruck umzusetzen. Dann gilt es, die Sprache mit den Bewegungen zu kombinieren. Die erste Textpassage ist chorisch. Zeile für Zeile geht das Ensemble durch den Text, Pausen und Betonungen werden festgelegt, ebenso Stellen, um gemeinsam zu atmen, so dass trotz der vielen Stimmen alles wie aus einem Guss erklingt.

Schon auf dieser ersten Probe wird klar: Diese neue Produktion ist eine Herausforderung für alle – körperlich und sprachlich. Es gilt, Grenzen auszuloten, Muskeln zu trainieren und dabei dennoch nie zu vergessen, dass Inhalte klar verständlich an das Publikum herangetragen werden müssen. Die Absurdität, die Thomas Melle in seinem Stück „Die Lage“ auf die Spitze treibt, um die Situation auf dem deutschen Wohnungsmarkt zu beschreiben, lässt viel Spielraum. Figuren setzen sich zusammen und lösen sich wieder auf, es gibt keine klare Handlung, weder einen Anfang noch ein Ende. Das Stück ist vielmehr eine Zustandsbeschreibung der vorherrschenden Situation. Wer in den letzten Jahren versucht hat, eine neue Wohnung zu finden, weiß, wie steinig sich der Weg ins neue Heim gestalten kann. „Die Miete ist die soziale Frage unserer Zeit“, formuliert Melle treffend. Die Nachfrage bestimmt den Markt, und „ein freier Markt bestimmt die Zwänge“. Lösungen sind derweil politisch, gerade auch in Potsdam, nicht in Sicht.

Doch bei aller politischen Sprengkraft, die das Stück entwickelt, kommt der Humor nicht zu kurz. Denn die bittere Wahrheit lässt sich, wie so oft im Leben, nur mit Komik ertragen. Und so ist die Stimmung auf der Probe auch eine Mischung aus Übermut und Ernsthaftigkeit. Man darf gespannt sein, wo die gemeinsame Reise noch hinführen wird.

Alexandra Engelmann