„Wie funktioniert Erinnerung?“

Die Potsdamer Autorin Julia Schoch über ihr Stück "Die Jury" tagt, das im Oktober im Großen Haus uraufgeführt wird
Was hat Sie daran gereizt, im Auftrag des Hans Otto Theaters Ihr erstes Theaterstück zu schreiben?
Julia Schoch: Ich hatte schon länger Ideen für zwei oder drei Stücke im Kopf. Als mich die Intendantin Bettina Jahnke einlud, für das Haus etwas zu schreiben, bekam das Ganze einen konkreten Rahmen. Im Grunde entschied das Lustprinzip: Was konnte ich mir am besten vorstellen für das Haus, vor allem aber: Bei welchem Stoff geht sofort die innere Schreibmaschine los? Interessant war auch für mich, was sich in einem solchen Moment vordrängelt und geschrieben werden möchte.

„Die Jury tagt“ – worum geht es?
Vier sehr unterschiedliche Menschen treffen sich zu einer Jurysitzung. Sie müssen darüber entscheiden, welches Denkmal zu Ehren der Revolution 1989 errichtet werden soll. Und ob überhaupt! Was respektvoll und friedlich beginnt, wird zu einer Schlacht, weil die Ansichten zur Vergangenheit so verschieden sind wie die Menschen selbst. Wie unterschiedlich und selektiv Erinnerung funktioniert, hat mich immer fasziniert. Darum geht’s in all meinen Büchern und auch in diesem Stück. Zudem melden sich ungefähr hundert weitere Figuren zu Wort, die mit der Gegenwart abrechnen wollen. Sie spielen in dem Stück eine große Rolle.

„KUNST LÄUFT DER AKTUALITÄT IMMER HINTERHER. GLEICHZEITIG IST SIE IHR MEILENWEIT VORAUS.“

Nach den gesellschaftlichen Verwerfungen infolge der Friedlichen Revolution und der deutschen Wiedervereinigung schreibt die Corona Pandemie gerade Weltgeschichte. Inwiefern kann die Jurysitzung aktuell brennende Fragen spiegeln?
Literatur, Kunst allgemein, läuft der Aktualität immer hinterher. Gleichzeitig ist sie ihr meilenweit voraus, weil ihre Zeit nicht die aktuelle Gegenwart ist, sondern die Ewigkeit. Menschliche Grundeigenschaften verändern sich ja kaum – Gott sei Dank für die Literatur.

Werden Sie den weiteren künstlerischen Prozess begleiten?
Man gibt ab, es wird eine neue Geschichte daraus. Das ist der Deal, den ich als Theaterautorin eingehe. Trotzdem bin ich froh, wenn man mich nicht erst zur Generalprobe einlädt.

Worauf sind Sie am meisten gespannt?
Auf den Engel, der ja vielleicht sogar die Hauptfigur des Stücks ist. Und natürlich auf die Reaktion meiner Freund*innen und der Zuschauer*innen.


Interview: Bettina Jantzen