REGISSEURIN NELE ROSETZ IM GESPRÄCH

Wie sollte Theater sein, das dich interessiert?
Überraschend, persönlich, spielerisch. Im besten Sinne Schau-Spiel, denn ich liebe es, Schauspieler*innen bei ihrer Arbeit zuzuschauen, zu erleben, wie sie sich verwandeln. Im Theater oder im Film habe ich sehr schnell ein Gefühl dafür, was kommt oder wer zum Beispiel im Krimi der Mörder ist. Deswegen sage ich: überraschend, damit ich nicht gleich weiß, wo die Reise hingeht. Und ich mag es, wenn alles mitspielt – die Situation, der Körper, die Stimme …

Was reizt dich daran, das Stück in eine absurde Situation zu verlegen?
Ich arbeite immer stark über eine Form und suche nach einer artifiziellen Spielweise. Es geht mir darum, die Fantasie zu erweitern, indem ich keinen Realismus vorgebe. Statt beispielsweise einer geschriebenen Wohnzimmeratmosphäre will ich den Assoziationsraum vergrößern.

Wenn du mit Texten experimentell umgehst, nach einer skurrilen Körpersprache oder einer ungewöhnlichen Bildhaftigkeit suchst, willst du damit bewusst irritieren?
Ich hoffe, dass es mir gelingt, Irritationen zu schaffen. Denn das heißt: Man muss kämpfen, nachdenken, mit dem Herz gucken. Aber es gibt zugleich viele Momente im Stück mit einem ganz offenen, besonderen Entäußerungswillen der Figuren, die ich ganz wunderbar finde. Am Beginn dieses Abends ist es mir allerdings wichtig, das Publikum zuerst einmal in ein belastendes Thema hineinzuziehen. Später werden dann nach und nach die Figuren sichtbar, mit denen man ganz besondere Momente und Themen teilen kann.

Rebekka Kricheldorf bezeichnet ihre Stücke als „Gebrauchsdramatik“, die gebraucht, vielleicht sogar auf- oder verbraucht wird. Kannst du mit dem Gedanken etwas anfangen?
Ja. Und ich hoffe, dass es uns gelingt, klug und witzig mit den Texten umzugehen. Sie aber vielleicht auch durch das Artifizielle manchmal noch sichtbarer zu machen.

Was treibt die fünf Freund*innen an?
Sie kennen sich seit der Schulzeit, sind miteinander gewachsen, gealtert und haben ähnliche Probleme. Zwischen ihnen gibt es eine starke Verbindung. Sie haben nur noch einander. Die Freundschaft ist wie ein Überlebensventil, um nicht einzugehen. Es gibt Rituale miteinander, die sie ungern aufgeben wollen, weil es immer schon so war. Man hat sich eingerichtet. Trotzdem wird es unter ihnen immer schwieriger, sich gemeinsam zu finden und bestimmte Fragen zu stellen. Da ist es kein Wunder, dass einer von ihnen das Ganze irgendwann nicht mehr mitmachen will.

Interview: Bettina Jantzen

Älterwerden für Hedonisten

Was bleibt vom Leben? Und was geht noch? Diese Fragen stellt das ziemlich abgefahrene Stück Bondi Beach, mit dem die Berlinerin Nele Rosetz ihr Regie-Debüt am Hans Otto Theater gibt.
Nele Rosetz ist eine gefragte Schauspielerin – einerseits. Andererseits begleitet sie der Satz „Du solltest mal Regie machen!“ schon seit ihrer Zeit an der Leipziger Schauspielschule in den neunziger Jahren. Vor zwei Jahren erarbeitete sie eine Inszenierung am Salzburger Mozarteum mit Studierenden. „Tartuffe“ von PeterLicht nach Molière wurde ein Erfolg und gewann beim Schauspielschultreffen 2023 in Potsdam den Ensemblepreis Österreich, der als Hauptpreis mit 10.000 Euro dotiert wurde. Im Hans Otto Theater war die Begeisterung des Fach-Publikums spürbar groß.

Dieser „Tartuffe“-Moment war zugleich der Auslöser für ihre nächste Einladung als Regisseurin. Denn im Mai wird Nele Rosetz ihr Regie-Debüt am Hans Otto Theater geben. Die Proben zu „Bondi Beach“ von Rebekka Kricheldorf laufen seit Ende März. Rosetz lebt in Berlin, wohin sie nach Engagements in Leipzig, Bochum und Zürich wieder zurückgekehrt ist. Als Schauspielerin hat sie nach ihrer Rückkehr erstmal an den Berliner Häusern gespielt: Deutsches Theater, Volksbühne, Gorki. Daneben begann sie zu lehren, an der Universität der Künste, am Mozarteum, an den Hochschulen in Essen und Leipzig. Doch sie wollte nochmal einen anderen Weg gehen, war neugierig auf den Perspektivwechsel und konnte sich im Februar 2022 beim Wildwuchs-Festival an der UdK als Regisseurin erstmals praktisch erproben. Dort inszenierte sie „Gefährten“ von Julia Herrgesell, eine Überschreibung von Goethes „Clavigo“.

Nun also „Bondi Beach“, eine witzig-melancholische Komödie über das Älterwerden und alternative Wege, damit umzugehen. Was hat man bisher gelebt? Was kann man noch nachholen? Was bleibt übrig? Das sind einige der Fragen, die Dennis, Fiffy, Nico, Tristan und Zoe im Stück plagen. Nele Rosetz verspricht einen „dynamischen, körperlichen Schlagabtausch“. Sie pflegt einen „sehr spielerischen Ansatz“ und setzt ganz auf die Spiel-Lust des Ensembles, das im Fall von „Bondi Beach“ aus Guido Lambrecht, Philipp Mauritz, Kristin Muthwill, Henning Strübbe
und Alina Wolff besteht. Rosetz‘ künstlerisches Credo ist eine Ansage: „Ich mache kein Theater auf Abstand!“

Björn Achenbach [erschienen in ZUGABE MAGAZIN 02-2025]

Weiterführende Links

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Philosophie der Vergänglichkeit. Gespräch mit der Buchautorin Ina Schmidt:
Wer Freunde hat, lebt länger? Beitrag von Terra Xplore mit Jasmina Neudecker
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