Michel Houellebecq
Michel Houellebecq wurde 1958 als Michel Thomas in den französischen Überseegebieten auf der Insel La Réunion geboren. Seine Eltern nahmen sich nur wenig Zeit für ihren Sohn; so wuchs Michel vorwiegend bei seinen Großeltern auf, zunächst in Algerien; mit etwa sechs Jahren zog er in die Nähe von Paris, um bei Henriette Houellebecq zu leben, seiner Großmutter väterlicherseits, deren Nachnamen er ab 1988 als Künstlernamen führt. 1975 begann er in Paris ein Studium der Agrarwissenschaft, das er 1978 als diplomierter Landwirtschaftsingenieur abschloss. Danach bewarb er sich erfolgreich an der renommierten Pariser Filmhochschule „Louis-Lumière“, die er aber 1981 ohne Abschluss wieder verließ. Eine erste kurze Ehe, aus der sein Sohn Étienne stammt, scheiterte bald. Nach einer Zeit großer Geldknappheit und Arbeitslosigkeit begann er 1983 als Programmierer und EDV-Kraft zu arbeiten, zunächst in einem Beratungsunternehmen, dann im französischen Landwirtschaftsministerium und später bei der französischen Nationalversammlung. Schon während seines Studiums hatte er begonnen, Gedichte zu schreiben. In den 1980er Jahren intensivierte er seine Schreibanstrengungen und suchte Kontakte in die Pariser Literaturszene. 1988 wurden erste Gedicht von ihm in renommierten Zeitschriften veröffentlicht. In diesem Zusammenhang verwendete er erstmals den Namen Houellebecq. 1991 erschienen als erste eigene Publikationen sein Essay. „Gegen die Welt. Gegen das Leben. H.P. Lovecraft“ sowie das ästhetische Manifest „Lebendig bleiben“ und der Gedichtband „Suche nach Glück“. Im Laufe der Jahre folgten weitere Gedichtbände: „Der Sinn des Kampfes“ (1996), „Wiedergeburt“ (1999) und „Gestalt des letzten Ufers“ (2013). Der Durchbruch als Autor gelang ihm aber mit seinem Debütroman „Ausweitung der Kampfzone“ (1994), der ihn schlagartig berühmt machte und es ihm ermöglichte, fortan als freier Schriftsteller zu leben. Es folgten weitere Bestseller, die allesamt auch international für Aufsehen und kontroverse Debatten sorgten: „Elementarteilchen“ (1998), „Plattform“ (2001), „Die Möglichkeit einer Insel“ (2005), „Karte und Gebiet“ (2010), „Unterwerfung“ (2015), „Serotonin“ (2019) und zuletzt „Vernichten“ (2022). Houellebecq erhielt viele wichtige Literaturpreise (u.a. den Prix Goncourt für „Karte und Gebiet“). Außerdem veröffentlichte er mehrere Essaybande, in denen er sich kritisch mit aktuell relevanten ästhetischen, sozialen und politischen Fragestellungen befasst.
Houellebecq gilt als wichtigster wie umstrittenster Gegenwartsschriftsteller Frankreichs, dem fast prophetische Fähigkeiten zugesprochen werden, weil er wesentliche gesellschaftliche Konfliktlagen literarisch vorwegzunehmen vermag. Zugleich tritt er auch als stark polarisierender Provokateur in Erscheinung, der als öffentliche Person und mit seinen Romanen an den Grenzen des guten Geschmacks und politisch Korrekten operiert; so wird ihm vorgeworfen, seine Texte seien wahlweise rassistisch, islamophob, misogyn, sexistisch, pornografisch oder reaktionär. Seine Grenzüberschreitungen können aber auch verstanden werden als Versuch, die Fassaden eines scheinheiligen Humanismus und schönfärberischer Wertebehauptungen zu durchbrechen, um an die wahren existenziellen Schmerzpunkte zu gelangen und die tatsächlichen, tiefgreifenden Krisen sichtbar zu machen. Dabei zeichnen sich seine Romane nicht zuletzt dadurch aus, dass sie vielfach explizit mit autobiographischen Bezügen spielen. In seinen Figuren und deren Beziehungen begegnen uns häufig Motive wie Einsamkeit, Schuld, Vereinzelung, innerer Schmerz, Depression, Egozentrik, sexuelle Frustration, kaputte Familien, Krankheit und suizidales Verhalten. Diese Motive können als fundamentale Kritik an einer westlichen Zivilisation gelesen werden, die durch die moderne kapitalistische Wettbewerbs-und Wachstumslogik, durch Marktliberalismus, Konsumfixierung, durch einen forcierten Individualismus und den damit einhergehenden Verlust traditionaler Verbindungen korrumpiert werde und so ihrem Verfall entgegentreibe. Ex negativo ergibt sich aus diesem düsteren Befund aber auch die Sehnsucht nach einer anderen Welt, in der eine tiefe Verbundenheit statt Entfremdungs- und Abtrennungsprozesse die Weltbezüge charakterisierte.
Christopher Hanf
Houellebecq gilt als wichtigster wie umstrittenster Gegenwartsschriftsteller Frankreichs, dem fast prophetische Fähigkeiten zugesprochen werden, weil er wesentliche gesellschaftliche Konfliktlagen literarisch vorwegzunehmen vermag. Zugleich tritt er auch als stark polarisierender Provokateur in Erscheinung, der als öffentliche Person und mit seinen Romanen an den Grenzen des guten Geschmacks und politisch Korrekten operiert; so wird ihm vorgeworfen, seine Texte seien wahlweise rassistisch, islamophob, misogyn, sexistisch, pornografisch oder reaktionär. Seine Grenzüberschreitungen können aber auch verstanden werden als Versuch, die Fassaden eines scheinheiligen Humanismus und schönfärberischer Wertebehauptungen zu durchbrechen, um an die wahren existenziellen Schmerzpunkte zu gelangen und die tatsächlichen, tiefgreifenden Krisen sichtbar zu machen. Dabei zeichnen sich seine Romane nicht zuletzt dadurch aus, dass sie vielfach explizit mit autobiographischen Bezügen spielen. In seinen Figuren und deren Beziehungen begegnen uns häufig Motive wie Einsamkeit, Schuld, Vereinzelung, innerer Schmerz, Depression, Egozentrik, sexuelle Frustration, kaputte Familien, Krankheit und suizidales Verhalten. Diese Motive können als fundamentale Kritik an einer westlichen Zivilisation gelesen werden, die durch die moderne kapitalistische Wettbewerbs-und Wachstumslogik, durch Marktliberalismus, Konsumfixierung, durch einen forcierten Individualismus und den damit einhergehenden Verlust traditionaler Verbindungen korrumpiert werde und so ihrem Verfall entgegentreibe. Ex negativo ergibt sich aus diesem düsteren Befund aber auch die Sehnsucht nach einer anderen Welt, in der eine tiefe Verbundenheit statt Entfremdungs- und Abtrennungsprozesse die Weltbezüge charakterisierte.
Christopher Hanf