Regisseurin Laura Leske Foto: Thomas M. Jauk

„Das Theater lässt mich nicht los“

Laura Leske hat das Kinderstück Wie Schnuppen von den Augen inszeniert – einer von mehreren Jobs, die sie am Hans Otto Theater stemmt.
Seien es goldene Stiefel oder der Schlüsselanhänger – bei Laura Leske glitzert immer irgendetwas. Für ihre erste eigene Regiearbeit „Wie Schnuppen von den Augen“, ein Kinderstück ab neun Jahren von Stefan Wipplinger, hat sie sich sogar ein entsprechendes Notizbuch gebastelt: Der Umschlag ist blau glänzend, das Bändchen rosa glitzernd – nicht ganz unpassend zum Stück.

Erzählt wird darin von den besten Freunden Zack und Schnuppe. Während Zack blitzschnell im Kopf ist, ist Schnuppe eher ein Träumer und kann besonders gut zuhören. Bei einem glitzernden Sternschnuppenschauer wünscht er sich heimlich eine Freundin, und just taucht Dee auf, ein Mädchen, das die Jungenfreundschaft ziemlich durcheinanderbringt.

An die Charaktere konnte Laura Leske sofort andocken: „Es werden Themen verhandelt, die alle kennen: Freundschaft, erste Liebe, die Angst vor dem Verlassenwerden“, sagt Leske. „Die Erlebniswelt der Figuren macht etwas mit mir, das tief geht.“ Auch wenn sie sofort zugestimmt hat, die Regie zu übernehmen, war sie zu Beginn des Arbeitsprozesses nervös – so sehr, dass sie eine Exceltabelle mit allen Szenen angelegt hat. „Damit bin ich aber irgendwann nicht mehr weitergekommen. Das Notizbuch ist viel hilfreicher.“ Und gewohnter: Seit 2020 ist die 38-Jährige als feste Regieassistentin am Hans Otto Theater und hat seitdem schon viele Seiten mit Anmerkungen gefüllt.

Würde man Laura Leskes Biografie aufschreiben, würde sie wahrscheinlich ebenfalls ein Buch ergeben: Geboren und aufgewachsen in Göttingen, spielte sie bereits zu Schulzeiten in zwei Theatergruppen, mit 17 verdiente sie ihr eigenes Geld auf der Bühne. 2006, kurz nach dem Abitur, zog sie nach Berlin – ohne Plan, einfach nur, weil die Stadt sie reizte. Mit mehreren, teils prekären, Jobs hielt sie sich über Wasser, spielte zwischendurch wieder in Göttingen, sprach an mehreren Schauspielschulen vor, bis sie 2010 das erste Mal ans Hans Otto Theater kam.

Ein Jahr lang war sie hier Praktikantin in der Requisite, dann Inspizientin und Regieassistentin. Von 2012 bis 2017 studierte sie Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis an der Universität Hildesheim und arbeitete danach zwei Jahre als Finanzmitarbeiterin bei der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung – ein sicherer Nine-to-five-Job, aber ganz und gar nicht ihre Art von Arbeit. Sie bewarb sich erneut nach Potsdam und ist seitdem hier. Hauptsächlich als Regieassistentin, aber auch als Souffleuse, Inspizientin und nun Regisseurin. Viel Abwechslung, aber auch viel Anstrengung. „Manchmal bin ich wirklich müde, und natürlich gibt es auch Zukunftsängste.

Aber das Theater begeistert mich immer wieder und lässt mich einfach nicht los.“ Weil es Räume für ein Miteinander schafft und gerade bei jungen Menschen das Gemeinschaftsgefühl enorm stärken kann. Und weil Laura Leske hier die Kreativität findet, die sie braucht. „In meinem Kopf geht hier die ganze Zeit etwas ab, ich liebe das.“ Und glitzern darf es am Theater selbstverständlich auch – erst recht, wenn es um Sternschnuppen geht.

Sarah Kugler

WARUM WÜNSCHEN GLÜCKLICH MACHT

Ein Gespräch mit der Germanistin und Kuratorin Alexandra Könz
Frau Dr. phil. Alexandra Könz, lohnt sich das Wünschen als Erwachsene noch oder muss man dafür ans Christkind glauben?
Unbedingt und ganz unabhängig von Weihnachten sollten wir alle noch Wünsche haben. Weil Wünsche existenziell für uns sind. Wer Wünsche hat, blickt damit nach vorne, wir formulieren ja damit eine Art Zukunft, erhoffen uns Veränderung. Das macht Mut. Wir würden uns als Menschen nicht entwickeln, wenn wir nicht wünschen würden, was wir nicht haben.

Warum nicht?
Weil dann ja alles gut wäre. Wir wären wunschlos glücklich. Im wahrsten Sinn des Wortes.

Ich dachte, das wäre das Ziel eines guten und wunschlosen Lebens?
Nicht unbedingt. Wenn sich alle Wünsche immer sofort erfüllen, macht das auch träge.

Und gierig. Man will dann auch immer mehr. Und oft auch das Falsche. Oder nicht?
Viele Menschen assoziieren mit Wünschen den Wunsch nach einem materiellen Gut, z.B. ein Geschenk zu Weihnachten. In Industriegesellschaften können wir auch grundsätzlich davon ausgehen, dass sich die meisten solcher Wünsche erfüllen. Nicht die ganz verrückten.

Und früher?
Früher konnten sich nur die Reichen und Mächtigen überlegen, was sie wirklich wollen, jenseits der Kategorien Schlafen, Essen und Überleben. Wünsche, die man sofort umsetzen kann, sind ein Privileg. Hinter dieser Art von Wünschen steckt aber oft etwas Tieferes. Dinge, die ich per Knopfdruck bestellen kann, spiegeln nicht direkt meine innersten Wünsche wider. Sie stehen stellvertretend für ein Grundbedürfnis. Wie beispielsweise, gesehen zu wer-den. Selbstausdruck. Autonomie. Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Nehmen Sie sich also ruhig einmal die Zeit und hinterfragen Sie, warum Sie konsumieren, was Sie konsumieren. Ich beispielsweise liebe farbige Kleider. Und ich dachte neulich, ach, ich kann nicht schon wieder eine gelbe Jacke kaufen. Aber ich habe realisiert: Das gibt mir Kraft.

Auch materielle Wünsche machen also Sinn?
Ja, durchaus. Darin ist auch nichts Schlechtes. Man kann sich ja mehr Einkommen wünschen, um es sinnlos zu verballern oder um damit Gutes zu tun. Das Motiv ist ja auch noch entscheidend. Wer sich aber überlegt, was gewisse Wünsche repräsentieren, der schafft Klarheit für sich und andere. Oft wird es aber komplizierter, wenn es um die wirklich großen Wünsche geht.

Können Sie ein Beispiel nennen?
Den Wunsch nach einer neuen Partnerschaft. Einem Jobwechsel. Einer Weltreise. Oft nennen wir diese Wünsche Träume. Dann kommt rasch der Kopf, der sagt: Das ist unmöglich. Das ist zu kompliziert. Da stehen zu viele Hindernisse im Weg. Dabei wüssten die meisten Menschen tief in ihnen drin, was sie sich wirklich ersehnen. Doch wenige setzen diese Art von Wünschen in die Tat um. Was schade ist. Denn wenn Sie sich den Wünschen nie widmen, entwickeln Sie sich nicht weiter.

Woran liegt es, dass viele Menschen sich ihre tiefen Wünsche nicht so recht erlauben?
Der Mensch ist bequem. Er mag im Grunde keine Veränderung. Gleichzeitig sehnt er sich nach Freiheit und Abenteuer, aber Wandel macht auch Angst. Man hat Angst vor den Konsequenzen. Weil jeder Wunsch eine Veränderung nach sich zieht. Jeder Wunsch hat einen Preis. Sobald es um immaterielle Wünsche geht, zahlen wir mit Mut, mit Energie, mit dem Bruch aus alten Gefügen. Viele haben Angst vor dem Scheitern. Oder wollen das Risiko nicht tragen.

Wünsche sind also immer auch ein Risiko?
Ja, weil das Endergebnis anders herauskommen kann als gedacht. Es gibt doch dieses Sprichwort: „Pass auf, was du dir wünschst, es könnte wahr werden.“ Aber das macht auch den Zauber des Wünschens aus: Man kann sich mit einem Wunsch in die Zukunft denken, sich die schönsten Dinge ausmalen. Man schafft Möglichkeiten, eine Perspektive. Das alleine, die reine Vorstellung, gibt uns Kraft. Wir werden zufriedener, schütten Glückshormone aus.

Wünschen ist also eine Kraftquelle.
Genau. Indem ich beginne, mir einen Wunsch, den ich habe, genauer anzuschauen, beginne ich auch damit, Möglichkeiten zu prüfen. Das ist nicht immer einfach, weil das auch bedeutet, dass ich mich der Realität stellen muss. Ist dieser Wunsch wirklich in die Tat umzusetzen? Passt er zu mir? Ist es mein innerster Wunsch oder sind es vielleicht Erwartungen, die andere oder die Gesellschaft an mich stellen? Widme ich mich meinen Wünschen, ergeben sich zwei Möglichkeiten: Ich laufe los und setze in die Tat um oder ich lasse den Wunsch los. (…) Für die Erfüllung eines Wunsches ist es wichtig, dass ich die Hindernisse, die auf mich zukommen, realistisch einschätze. Erst so entwickle ich auch einen Plan, diese Hindernisse zu über-winden und wachse an meinen Aufgaben. Deshalb ist es so wichtig, dass der Wunsch nicht absolut unmöglich ist, sondern wenigstens im Bereich des „Unwahrscheinlichen“.

Scheitere ich damit nicht automatisch?
Gar nicht. Sie können nur gewinnen. Entweder Sie setzen in die Tat um und können beobachten, wie etwas, von dem Sie vor einem Jahr noch dachten, es sei unmöglich oder unwahrscheinlich, real wird. Oder Sie können etwas, das Sie behindert, endlich loslassen. Und sagen: Dieser Wunsch wird sich nicht erfüllen, und ich verabschiede mich jetzt von dieser Idee. Auch das befreit. Und setzt neue Energien frei. (…)

Darf ich Jemandem nur das Schlechteste wünschen?
Es ist gut, böse Wünsche zu haben. Das ist ein Ventil, um mal innerlich Dampf abzulassen. Nur, weil Sie einen schwachen Moment haben und die neue Freundin des Ex-Partners auf den Mond wünschen, tun Sie ihr trotzdem nichts an. Böses wünschen ist also völlig okay, solange es nicht ins Pathologische geht.

Was wünschen Sie sich eigentlich?
(…) Ich wünsche mir, dass wir Erwachsene das Wünschen ein bisschen mehr so angehen würden wie Kinder. Einfach mal staunen, spielerisch damit umgehen. Und einfach mal fest daran glauben, dass der Wunsch in Erfüllung geht.

(Das Interview führte Anna Miller und es erschien in der Aargauer Zeitung am 28.12.2021)

Exkurs in die antike Wunsch-Philosophie

Der griechische Philosoph Epikur unterschied drei Arten von Wünschen
Die natürlichen und notwendigen Wünsche sichern das eigene Überleben. Dazu gehören Essen, Trinken, Schlaf und Kleidung, sowie die Abwesenheit von Krankheit. Sie entsprechen den menschlichen Grundbedürfnissen, deshalb müssen diese Wünsche immer befriedigt werden, da sonst „Schmerzen“ entstehen würden. Meistens werden diese Bedürfnisse aber zumindest in unserer Gesellschaft in solch einem Maße erfüllt, dass sich nur selten Wünsche darauf beziehen.

Natürliche und nicht notwendige Wünsche verursachen keine „Schmerzen“, wenn sie nicht erfüllt werden. Sie erscheinen uns ebenfalls sehr wichtig, obwohl sie zum Überleben eigentlich nicht notwendig sind. Dies können z.B. Sozialkontakte wie Freunde, ein/e Partner*in oder auch eine liebevolle Familie sein. Aber auch die Abwesenheit von Konflikten oder allgemein bessere Lebensbedingungen zählen hierzu.

Und schließlich gibt es die nicht natürlichen und nicht notwendigen Wünsche, die wir alle haben, wie z.B. Handys, Autos, teure Mahlzeiten, modische Handtaschen usw. Diese sind weder natürlich, noch verursachen sie Schmerzen, wenn sie nicht befriedigt werden. Diese Wünsche nennt Epikur überflüssig bzw. eitel.

Es mag vielleicht überraschend sein, dass für Epikur die überflüssigen oder eitlen Begierden zunächst an sich nichts Schlechtes sind. Aber manche Wünsche lohnen sich einfach nicht, gemessen am Glück, dass sie uns bringen würden. Denn was ist eigentlich oft der wahre Grund, dass jemand teure Markenklamotten, das neueste Handy oder vielleicht ein teures Auto haben möchte? Wird solch ein Auto jemanden wirklich schneller oder sicherer ans Ziel bringen? Sind die Markenklamotten wirklich bequemer als die andere, ältere Kleidung? Werde ich mit dem neuen Handy mehr telefonieren, online sein oder mehr Sozialkontakte haben?

Eigentlich wollen wir diese Dinge doch nicht wegen des realen Nutzens, den sie für unser Leben bringen, sondern weil wir in Wirklichkeit die Zustimmung oder den Neid unserer Umgebung suchen – und genau das nennt Epikur einen eitlen Wunsch: einen Wunsch, der uns unglücklich macht, wenn er unerfüllt bleibt. Der uns aber auch nie lange glücklich macht, wenn er erfüllt werden sollte, da er keinen wirklichen Nutzen für unser eigenes Leben bringt. Denn wenn man nur allein zu Hause sitzt, wird man im allgemeinen keine teuren Klamotten oder besonderen Schmuck tragen. Auch das neue Handy spielt wahrscheinlich keine andere Rolle, als das vorherige. Diese Verhaltensweisen, die Art, wie wir sind, wenn wir alleine sind, zeigen uns, was wir wirklich brauchen, um (allein) glücklich zu sein – und das ist oft nur sehr wenig.

(Übrigens zählt Epikur auch unmögliche Wünsche, wie z.B.: Superkräfte zu haben oder unverschämt reich zu sein, zu den überflüssigen Wünschen, da sie, weil sie nicht erfüllt werden können, meistens nur unglücklich machen.)

Michael Böhnisch